Die Rolle der Genetik

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Die Rolle der Genetik

Beitragvon Sabine » Do 14. Jul 2005, 22:00

Zitat: "Da die Gene ja nicht wissen können, welche Umweltbedingungen vorliegen, und sich auch so schnell nicht anpassen können, sind auf Ihnen nur grundsätzliche Vorbedingungen gespeichert.
Die Feinheiten des Verhaltens werden erlernt. Und genau hier kann das Training ansetzen."

Hier wird im Grunde gesagt, daß die Genetik nur einen relativ kleinen Teil der Ursache für ein bestimtes Verhalten ausmacht.

Etwas später wird folgendes geschrieben.
Zitat: "Da der Mensch nicht das gesamte Jagdrepertoire brauchte oder wollte...., ließ er nur die Tiere Nachkommen haben, die bestimmte Sequenzen nicht bzw. verstärkt zeigten."
Hat die Genetik also doch eine größere Rolle?
Wie hoch ist der genetische Einfluß auf ein bestimmtes Verhalten einzuschätzen?
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Beitragvon Ariane Ullrich » Fr 15. Jul 2005, 00:13

Hallo Sabine,

schöne Frage!

Das erste Zitat sagt nicht, dass die Genetik nr ein kleine Rolle spielt. Es sagt aus, dass es "Basisbestimmungen" gibt, also bspw. dass das Jagdverhalten bei bestimmten Reizen ausgelöst werden kann.
Wie stark die Reaktionen sind und auf welche reize nicht reagiert wird, das ist veränderbar bzw. umweltbedingt.

Das zweite Zitat unterstütz das erste nur, indem gesagt wird, dass dermensch sich diese genetik zunutze gemacht hat, um die vorhande basis zu manipulieren. Aber auch hier entscheidet die Umwelt über die Ausprägung.

Vorstellen kann man sich das wie folgt. Für jedes Körpermerkmal (Körpergröße, etc.) gibt es eine genetische Von-Bis-Spanne. also bspw. hat ei bestimmter mensch die genetische Möglichkeit minimal 1,56m und maximal 1,63 m groß zu werden (das sind vollkommen willkürliche Zahlen). wie groß er wirklich wird, hängt von der Umwelt ab. bekommt er genug zu essen? hat er vielleict rückenprobleme usw.

welchen anteil genetik und welchen die umwlt hat, das kann an bisher nicht genau sagen. gerade wenn es um Verhalten geht ist das kaum möglich, da das viel zu komplex ist und zu viele rückkoplungsmöglichkeiten da sind.

Wer sagte gleich wieder den schlauen satz:
man sollte trainieren, als läge es nur an der umwelt und züchten, als wäre alles genetik.

viele grüße ariane
Ariane Ullrich
 

Beitragvon Sabine » Fr 15. Jul 2005, 22:41

Also ich denke, daß der Rolle der Genetik gerade im Bereich des Instinktverhaltens und hier auch im Bereich der züchterisch beeinflussten besonderen Verhaltensweisen bestimmter Rassen oft zuwenig Bedeutung zugemessen wird.
Ist es denn möglich, genetische Vorgaben durch erzieherische Maßnahmen so zu verändern, daß deren Ausprägung gegen Null geht?
Oder was findet da stattdessen statt?
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Beitragvon Ariane Ullrich » Mo 1. Aug 2005, 12:35

Hallo Sabine,

dass die Genetik verändert werden kann ist ja klar. Eben durch künstliche Auslese.

Nicht jeder Hund derselben rasse hat genau die 100% gleiche genetische Ausstattung (logisch), Jedes Gen gibt es in verschiedenen Ausprägungen und mit einer so genannten von-bis-Skala. Du kannst also nie sagen, wie genau sich ein Verhalten entwickeln wird, selbst wenn du ganz genau die Genzusammentzeung kennen würdest. Einfach weil dieUmwelt das letzte Wort hat.

Kreuzt du aber immer diejenigen Uhnde einer Rasse, die kaum jagen (oder weniger), kannst du es über kurz oder lang herauszüchten.

Das ist ganz platt die Basis. Da hängt natürlich jede Menge dran, weil es DAS Jagdgen natürlich gibt. Jagen ist ein komplexes verhalten und du selektierst ja nur auf einen Phänotyp (nicht jagender Hund), dessen Genotyp (die genetische Ausstattung) du nicht genau kennst.

Wie schwierig das tatsächlich ist, sieht du daran, dass es in jeder Rasse Jäger gibt, obwohl eine Rassen als nichtjagend bezeichnet werden und auch im Durchschnitt weniger jagen.

Das Jagen an sich ist aber nunmal ein hochkomplexes Verhalten, dass ebenfalls mit vielen anmdren verhaltensweisen (sozialem Verhalten etc.) gekoppelt ist und sich demnach nicht einfach "herausschneiden" lässt.

War das deine Frage?

viele
grüße
ariane
Ariane Ullrich
 

Beitragvon PiaGM » Mo 1. Aug 2005, 13:36

Hallo Zusammen,

Das Jagen an sich ist aber nunmal ein hochkomplexes Verhalten, dass ebenfalls mit vielen anmdren verhaltensweisen (sozialem Verhalten etc.) gekoppelt ist und sich demnach nicht einfach "herausschneiden" lässt.


Daraus resultierend würde mich interessieren, ob ihr folgende Beobachtung mit mir teilen könnt:
Ich betreue bei uns in der Hundeschule die "Problemhunde". Wenn ich Jagdhundrassen im Training habe, dann haben sie fast ausschließlich ENTWEDER ein Jagdproblem (zumindest aus Sicht der Menschen :wink ) ODER ein Aggressionsproblem. Je stärker ausgeprägt das Jagdproblem, desto geringer die Aggressionsprobleme und umgekehrt ...

Viele Grüße,
Pia
PiaGM
 

Beitragvon dusaro » Mo 1. Aug 2005, 14:20

Komisch, dass Du das jetzt so schreibst...habe ich dieser Tage noch mit jemandem drüber gesprochen.

Der einzige mir bekannte Drahthaar im Bekanntenkreis (Nichtjägerhund), der ein Aggressionsproblem hat (gegen die Kinder der Familie, wurde daraufhin abgegeben) jagt nicht bzw kaum; und damit ist er auch mit dieser Eigenschaft einzige mir bekannte Drahthaar, wobei ich überwiegend Jägerhunde kenne.

Kann aber auch Zufall sein, ich kenne den Hund nicht so gut, dass ich das detailliert beurteilen könnte, wie er sich wann genau verhält.
dusaro
 

Beitragvon canini » Mo 1. Aug 2005, 14:39

Wobei aber nicht gesagt wird warum er kaum jagt. Wenn es denn nicht genetisch sondern umweltbedingt (Erziehung / Prägung) ist kann die Agression durchaus auch aus einem Triebstau heraus resultieren.

Unser jüngster Wachtel wird in Zeiten in denen er wenig jagd oder jagdlich beschäftigt wird auch zunehmend agressiv gegenüber unseren anderen Hunden.

Olaf
canini
 

Beitragvon inasdk » Mo 1. Aug 2005, 14:54

@Pia
Hierbei spielt Triebverhalten (auch Triebveranlagung) ein wichtige Rolle.
Das Jagen ist bei Hunden u.a. genetisch festgelegt. Jagen (hetzen, stöbern) dient dem Hund als Triebbefriedigung, darf er dies nicht (Strafe, Möglichkeit) probiert er das zu kompensieren (hab von nem Pointer gehört, der den ganzen Tag Schatten jagt, armer Kerl). Wenig effektive Kompensationsstrategien führen u.U. (naja, immer,) zu den beschriebenen Aggressionen (oder Frustration, Aphatie ect). Das ist ja auch der Grund, warum wir verantwortungsbewusten Nicht-Jäger alles Mögliche tun, um dem Hund diese Triebbefriedigung zu geben durch verhaltensgetreue Ersatz-Jagdspiele/-aufgaben (Fährtensuche, umkonditionieren, usw.)
Ist jetzt ganz platt erklärt.
vlg
Ina
inasdk
 

Beitragvon külwalda » Mo 1. Aug 2005, 15:43

PiaGM hat geschrieben:Wenn ich Jagdhundrassen im Training habe, dann haben sie fast ausschließlich ENTWEDER ein Jagdproblem (zumindest aus Sicht der Menschen :wink ) ODER ein Aggressionsproblem. Je stärker ausgeprägt das Jagdproblem, desto geringer die Aggressionsprobleme und umgekehrt ...


... kann ich allerdings nur an einem Beispiel nicht bestätigen: unser Pflegehund hatte SOWOHL ein Jagd- ALS AUCH ein Aggressionsproblem...
külwalda
 

Beitragvon Ariane Ullrich » Di 2. Aug 2005, 08:33

Hallo Pia,

ich denke, dass sicher etwas dran ist, allerding nicht einfach vom einen auf das andere geschlossen werden kann. Beides sind dinge, die auseinander resultieren können.

Aggression resultiert aus so viel verschiedenen Ursachen. Man kann auch einfach annehmen, dass Jagdhunde ein sehr diffiziles Sozialverhalten haben, vielleicht noch mehr als andere Hunde, denn Jagen ist eine hochsoziale Angelegenheit. Daraus resultiert wieder, dass Sozialisierung etc. eine wesentlich höhere Rolle spielen als bei anderen Rassen. Es gibt bestimmte Rassen, die benötigen viel mehr Kontakt zu anderen hudnen, Menschen, Situationen, um problemlos zu bleiben, als andere Rassen. Ob es beim Jagdhund so ist, kann man nicht mit Sicherheit sagen.

Dass aber UNterbeschäftigung eine wichtige Rolle sowohl für das Jagd, als auch für das Aggressionsproblem spielt, das ist wohl klar. Jagdhunde sind Arbeitshunde, wenn sie nicht ausgelastet sind, entwickeln sich Probleme.

Eine weitere Möglichkeit ist, dass Hunde, die darauf gezüchtet sind, mit dem Wild auch zu kämpfen bzw. es im Notfall zu töten, eher zu den Hundetypen gehören, die eher angreifen als fliehen. Darauf entwickelt ich natürlich immer eher ein Aggressionsproblem, da es beim Menschen leider immer noch viel zu häufig Situationen gibt, die falsch interpretiert werden vom Menschen.

Eine nächste Möglichkeit ist, dass ein Mensch, der einen Jagdhund hält, diesen von vorherein eher selten von der Leine lässt aus Angst vor Jagdverhalten. Dieses ist demnach weniger stark ausgeprägt, aber dementsprechend aht er auch wenig Erfahrung im Umgang mit anderen Hudnen etc. und entwickelt so sein Problem.

Und eine weitere Möglichkeit geht genau andersherum. Diejenigen, die ein Aggressionsproblem mit dem Hund haben, lassen ihren Hund selten von der Leine, weshalb er auch nicht jagen kann.
Oder auch: Das Aggressionsproblem stellt alle anderen Probleme in den Schatten.

Aggression als Problem ist ja ein weit verbreitetes Thema mittlerweile und hängt ganz stark auch mit dem Leinenzwang zusammen. Je öfter der Hund aber an der Leine eines Menschen ist,d er wenig bis keine Ahnung von hundlicher Kommunikatioon hat, desto eher resultiert ein Aggressionsproblem.

Ich würde es also nicht in einen direkten Zusammenhang bringen, sondern allgmein als Problem sehen.

Nimm einen jagenden Hund an die Dauerleine und er wird eventuell beginnen in aufregenden Situationen zu bellen zB weenn Hunde komen. Die bellen zurück, es entwickelt sich eine unfreundliche Diskussione und schon ist der Grundstein für ein Aggressionsproblem geschaffen.

Der Hauptgrund für Aggressionsprobleme ist und bleibt aber die missverstandene Kommunikation des Hundes, wie zBs das Bestrafen, wenn der Hund knurrt, statt zu erkennen, dass er vor etwas Angst hat und genau das geübt werden muss.

@inasdk:

Der Begriff TRieb sagt leider überhaupt nichts mehr aus und wird normalerweise auch nicht mehr verwendet. Er umschreibt ein aus vielen Komponenten bestehendes verhalten, für das man damals einen Begriff braucht, um es diskutieren zu können. Mittlerweile iste s jedoch völlig aus der Verhaltensforschung verschwunden und durch Lernen/Genetik und auch Instinkt ersetzt. Du wirst den Begriff in unserem Buch auch nicht fiden.
Der begriff "Treibbefriedigung" impliziert, dass der Hund innerlich gezwiungen wird, das zu tun. Dem ist aber nicht so, ein Jagdhund, der nicht jagen darf, der geht nicht vor die Hunde deswegen (im wahrsten sinne :o)) Aber ein Jagdhund, der nicht beschäftigt wird, der "dreht durch".
Ich denke, das ist ein Punkt,. der von vielen noch nicht so gesehen wird.


viele Grüße
ariane
Ariane Ullrich
 

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